5 FRAGEN AN... JULI LEE (DJ/PRODUCER)

5 FRAGEN AN... JULI LEE (DJ/PRODUCER)

04 February 07:02 AM

Juli Lee stammt aus Bern, ist als DJ und Produzentin aber an Decks in der ganzen Schweiz zu Hause. Auch in Zürich werden die Sets der umtriebigen Macherin sehr geschätzt und sie spielt in den angesagtesten Clubs und an vielen schönen Festivals.  


 1. Du zählst zu den meistgebuchten elektronischen DJs der Schweiz. Wie bist du zum Auflegen gekommen? Gibt‘s ein Schlüsselerlebnis? 

Danke für die Blumen. Ich habe selbst überhaupt kein Gefühl dafür, ob das mit dem 'meistgebucht' stimmt oder nicht. Und das sage ich nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern weil ich Vergleiche einfach nicht mag und es vermeide, mich selbst zu vergleichen. Irgendwie löst das nichts Gutes in mir aus. Aber das war ja nicht die Frage. Zum Auflegen bin ich gekommen, weil ich es spannend fand, mit Musik zu experimentieren. Ich habe zuerst angefangen zu produzieren, und dann hat mir ein Bekannter mehrmals für ein paar Stunden seine Plattenspieler und einen Stapel Hip-Hop-Platten überlassen. Alles hat sich dann ganz langsam und organisch entwickelt. Schlüsselmomente gibt es immer wieder – wenn die ganze Tanzfläche von diesem Gemeinschaftsgefühl gepackt wird, wenn man ganz bei sich ist und sich gleichzeitig verbunden fühlt. Fast schon transzendent. (Und dafür braucht es keine Substanzen.) Das ist nach wie vor eine der reinsten Formen von Liebe, die ich kenne. Oft sind es nur kurze Momente, aber als ich das zum ersten Mal erlebte, wusste ich, dass ich Teil davon sein möchte.   


  2. Wie planst Du deine Sets? Planst du überhaupt oder lässt du den Moment im Club über den nächsten Track entscheiden? 

Ich plane meine Sets überhaupt nicht, weil ich ja nie weiß, was mich erwartet – wie meine Stimmung ist, wie die der anderen Menschen im Raum ist, wie die Person vor mir gespielt hat usw. Vorbereiten tue ich mich aber schon. Erstens, weil meine Musiksammlung inzwischen so groß ist, dass ich einfach nicht immer alles im Kopf griffbereit habe. Und zweitens, weil ich vor ca. zwei bis drei Jahren beim Spielen immer wieder plötzlich extrem unsicher wurde – ich würde es sogar als den Anflug einer Panikattacke bezeichnen. Ich glaube, ich habe mir selbst enormen, nicht rational wegdiskutierbaren Druck gemacht. Ich stand hinter den Plattenspielern und war innerlich völlig erstarrt. Und weil sich das so schlimm anfühlte, hatte ich irgendwann Angst vor der Angst. Um dem entgegenzuwirken, habe ich dann angefangen, mich vor Gigs nicht nur mit neuer Musik zu beschäftigen, sondern vor allem auch meine eigene Musik durchzuhören, um herauszufinden, worauf ich gerade Lust habe – und das ist extrem tagesabhängig. Wenn ich dann Tracks im Kopf habe, auf die ich mich richtig freue, sie über ein (gutes) PA zu hören, gibt mir das irgendwie Sicherheit. Ich kann mich dann quasi an der Musik festhalten, wenn ich unsicher bin oder werde. Das hilft.  


3.Was wäre dein absolutes Traumbooking und warum?   

Mhh… das gibt es nicht. Ich war schon so oft enttäuscht von vielversprechenden Bookings und hatte unglaublich herzerwärmende Momente an Orten, an denen ich es nie erwartet hätte. Jedes Booking – auch in Clubs, die ich schon öfter bespielt habe – ist wie ein Überraschungsei. Ich glaube, das macht es für mich auch nach so vielen Jahren immer noch so reizvoll. Große Bühne, krasses Line-up, teure Deko, verrückte Location – das kann alles schön und spannend sein. Aber es sind die kleinen Dinge, die aus meiner Perspektive einem Rave die „Seele“ einhauchen: ein liebevoll durchdachtes Booking, das die Artists musikalisch herausfordert, ohne dass sie sich deplatziert fühlen, ein gutes PA, passendes Licht, Details, die sich positiv auf das Erlebnis auswirken und nicht nur auf das Budget, eine etablierte Lern- und Fehlerkultur, Wohlwollen und ein Klima, in dem sich sehr unterschiedliche Menschen wohl, willkommen und gleichzeitig sicher fühlen. Letzteres ist wohl eine der größten Herausforderungen aktuell.     


4. Die Musik welches Künstlers/welcher Künstlerin findest du aktuell besonders aufregend und warum?   

Eine spezifische Person zu nennen, ist mir nicht möglich. Die Liste wäre lang. Mich zieht Musik an, die Seele hat – und damit meine ich nicht den Musikstil „Soul“, sondern Musik, bei der ich das Gefühl habe, dass jemand beim Kreieren etwas Echtes von sich mit hineingegeben hat. Mich langweilt Perfektion immer mehr – allgemein und bei Musik im Besonderen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das ein allgemeiner Trend ist: Dass Perfektion, insbesondere durch technische Möglichkeiten, an Attraktivität verliert und wir uns wieder mehr nach Dingen mit Seele sehnen. Ich glaube, wir haben (unterbewusst) schon einen ziemlich guten Radar dafür. Ich stelle die steile These auf, dass man den Unterschied schmeckt, wenn ein Gericht liebevoll mit guten Zutaten zubereitet wurde. Klar, industriell gefertigte Lebensmittel mit Glutamat können auch Spaß machen – zwischendurch. Aber wenn man nur noch das konsumiert, tut das Körper und Geist nicht gut, man stumpft ab. Ich denke, mit Musik ist das ähnlich. Musik, die mich nicht so anzieht, ist eine Art akustisches Fast Food – sofort angenehm im Ohr, schnelle Befriedigung versprechend, dabei aber weitgehend hohl und austauschbar. Wie künstlich aufpolierte Harmonien und Rhythmen, die zwar kurz für ein wohliges Gefühl sorgen, aber rasch ins Bedeutunglose verblassen – klanggewordenes Glutamat, ohne nachhaltige Tiefe oder Substanz. Kurz gesagt: Ich versuche zu vermeiden, zu viel Glutamat-Musik zu konsumieren und zu verbreiten. (Aber ich bin da – wie bei den meisten Dingen – nicht dogmatisch. Pommes mit Industrie-Glutamat-Würze sind schon nice. Halt nicht ständig.)     


5.Wenn Du etwas am Nightlife in der Schweiz ändern könntest... Was wäre das?   

Haha… die eine Million-Dollar-Frage in der aktuellen Debatte um das Nachtleben! Endlich mal eine Frage, bei der ich mich kurz halten kann… Einige der Parameter, die mir manchmal fehlen, habe ich am Ende von Frage 3 aufgezählt. Allgemein finde ich aber schon, dass die kleine Schweiz ein sehr spannendes Nachtleben hat.     

ZURICH NIGHTLIFE
5 FRAGEN AN... JULI LEE (DJ/PRODUCER)

5 FRAGEN AN... JULI LEE (DJ/PRODUCER)

04 February 07:02 AM

Juli Lee stammt aus Bern, ist als DJ und Produzentin aber an Decks in der ganzen Schweiz zu Hause. Auch in Zürich werden die Sets der umtriebigen Macherin sehr geschätzt und sie spielt in den angesagtesten Clubs und an vielen schönen Festivals.  


 1. Du zählst zu den meistgebuchten elektronischen DJs der Schweiz. Wie bist du zum Auflegen gekommen? Gibt‘s ein Schlüsselerlebnis? 

Danke für die Blumen. Ich habe selbst überhaupt kein Gefühl dafür, ob das mit dem 'meistgebucht' stimmt oder nicht. Und das sage ich nicht aus falscher Bescheidenheit, sondern weil ich Vergleiche einfach nicht mag und es vermeide, mich selbst zu vergleichen. Irgendwie löst das nichts Gutes in mir aus. Aber das war ja nicht die Frage. Zum Auflegen bin ich gekommen, weil ich es spannend fand, mit Musik zu experimentieren. Ich habe zuerst angefangen zu produzieren, und dann hat mir ein Bekannter mehrmals für ein paar Stunden seine Plattenspieler und einen Stapel Hip-Hop-Platten überlassen. Alles hat sich dann ganz langsam und organisch entwickelt. Schlüsselmomente gibt es immer wieder – wenn die ganze Tanzfläche von diesem Gemeinschaftsgefühl gepackt wird, wenn man ganz bei sich ist und sich gleichzeitig verbunden fühlt. Fast schon transzendent. (Und dafür braucht es keine Substanzen.) Das ist nach wie vor eine der reinsten Formen von Liebe, die ich kenne. Oft sind es nur kurze Momente, aber als ich das zum ersten Mal erlebte, wusste ich, dass ich Teil davon sein möchte.   


  2. Wie planst Du deine Sets? Planst du überhaupt oder lässt du den Moment im Club über den nächsten Track entscheiden? 

Ich plane meine Sets überhaupt nicht, weil ich ja nie weiß, was mich erwartet – wie meine Stimmung ist, wie die der anderen Menschen im Raum ist, wie die Person vor mir gespielt hat usw. Vorbereiten tue ich mich aber schon. Erstens, weil meine Musiksammlung inzwischen so groß ist, dass ich einfach nicht immer alles im Kopf griffbereit habe. Und zweitens, weil ich vor ca. zwei bis drei Jahren beim Spielen immer wieder plötzlich extrem unsicher wurde – ich würde es sogar als den Anflug einer Panikattacke bezeichnen. Ich glaube, ich habe mir selbst enormen, nicht rational wegdiskutierbaren Druck gemacht. Ich stand hinter den Plattenspielern und war innerlich völlig erstarrt. Und weil sich das so schlimm anfühlte, hatte ich irgendwann Angst vor der Angst. Um dem entgegenzuwirken, habe ich dann angefangen, mich vor Gigs nicht nur mit neuer Musik zu beschäftigen, sondern vor allem auch meine eigene Musik durchzuhören, um herauszufinden, worauf ich gerade Lust habe – und das ist extrem tagesabhängig. Wenn ich dann Tracks im Kopf habe, auf die ich mich richtig freue, sie über ein (gutes) PA zu hören, gibt mir das irgendwie Sicherheit. Ich kann mich dann quasi an der Musik festhalten, wenn ich unsicher bin oder werde. Das hilft.  


3.Was wäre dein absolutes Traumbooking und warum?   

Mhh… das gibt es nicht. Ich war schon so oft enttäuscht von vielversprechenden Bookings und hatte unglaublich herzerwärmende Momente an Orten, an denen ich es nie erwartet hätte. Jedes Booking – auch in Clubs, die ich schon öfter bespielt habe – ist wie ein Überraschungsei. Ich glaube, das macht es für mich auch nach so vielen Jahren immer noch so reizvoll. Große Bühne, krasses Line-up, teure Deko, verrückte Location – das kann alles schön und spannend sein. Aber es sind die kleinen Dinge, die aus meiner Perspektive einem Rave die „Seele“ einhauchen: ein liebevoll durchdachtes Booking, das die Artists musikalisch herausfordert, ohne dass sie sich deplatziert fühlen, ein gutes PA, passendes Licht, Details, die sich positiv auf das Erlebnis auswirken und nicht nur auf das Budget, eine etablierte Lern- und Fehlerkultur, Wohlwollen und ein Klima, in dem sich sehr unterschiedliche Menschen wohl, willkommen und gleichzeitig sicher fühlen. Letzteres ist wohl eine der größten Herausforderungen aktuell.     


4. Die Musik welches Künstlers/welcher Künstlerin findest du aktuell besonders aufregend und warum?   

Eine spezifische Person zu nennen, ist mir nicht möglich. Die Liste wäre lang. Mich zieht Musik an, die Seele hat – und damit meine ich nicht den Musikstil „Soul“, sondern Musik, bei der ich das Gefühl habe, dass jemand beim Kreieren etwas Echtes von sich mit hineingegeben hat. Mich langweilt Perfektion immer mehr – allgemein und bei Musik im Besonderen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das ein allgemeiner Trend ist: Dass Perfektion, insbesondere durch technische Möglichkeiten, an Attraktivität verliert und wir uns wieder mehr nach Dingen mit Seele sehnen. Ich glaube, wir haben (unterbewusst) schon einen ziemlich guten Radar dafür. Ich stelle die steile These auf, dass man den Unterschied schmeckt, wenn ein Gericht liebevoll mit guten Zutaten zubereitet wurde. Klar, industriell gefertigte Lebensmittel mit Glutamat können auch Spaß machen – zwischendurch. Aber wenn man nur noch das konsumiert, tut das Körper und Geist nicht gut, man stumpft ab. Ich denke, mit Musik ist das ähnlich. Musik, die mich nicht so anzieht, ist eine Art akustisches Fast Food – sofort angenehm im Ohr, schnelle Befriedigung versprechend, dabei aber weitgehend hohl und austauschbar. Wie künstlich aufpolierte Harmonien und Rhythmen, die zwar kurz für ein wohliges Gefühl sorgen, aber rasch ins Bedeutunglose verblassen – klanggewordenes Glutamat, ohne nachhaltige Tiefe oder Substanz. Kurz gesagt: Ich versuche zu vermeiden, zu viel Glutamat-Musik zu konsumieren und zu verbreiten. (Aber ich bin da – wie bei den meisten Dingen – nicht dogmatisch. Pommes mit Industrie-Glutamat-Würze sind schon nice. Halt nicht ständig.)     


5.Wenn Du etwas am Nightlife in der Schweiz ändern könntest... Was wäre das?   

Haha… die eine Million-Dollar-Frage in der aktuellen Debatte um das Nachtleben! Endlich mal eine Frage, bei der ich mich kurz halten kann… Einige der Parameter, die mir manchmal fehlen, habe ich am Ende von Frage 3 aufgezählt. Allgemein finde ich aber schon, dass die kleine Schweiz ein sehr spannendes Nachtleben hat.     

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